Es ist etwas Besonderes, im Adlon zu arbeiten, in Deutschlands prominentestem Hotel direkt am Brandenburger Tor in Berlin. „Adlon oblige“ heißt der Leitspruch für das Personal: Adlon verpflichtet. In Schulungen wird den Mitarbeitern eine besondere Adlon-DNA vermittelt, in Morgenmeetings teilen Abteilungsleiter den Bediensteten mit, welche Stars sich im Hotel befinden. Und sie verkünden den Wert des Tages, zum Beispiel: „Wir sind am Menschen orientiert.“
Nemeth sagt: „Andere Kollegen nehmen härtere Sachen, um das durchzustehen, Koks, Speed, Amphetamine – alles, was aufputscht.“ Für seine Arbeit im Hotel bekam Nemeth als ausgebildeter Jungkoch, Commis de Cuisine, zwischen 1.600 und 1.800 Euro brutto im Monat. Mehr als ein Jahr lang war er im Adlon beschäftigt. Sein Arbeitsvertrag liegt der ZEIT vor. Das Adlon selbst gibt an, die wöchentliche Arbeitszeit der Köche betrage 38 Stunden. Doch Nemeth arbeitete mindestens zehn Stunden am Tag, oft zwölf, manchmal noch länger. „Du gehst morgens hin und weißt nicht, wann du abends wieder rauskommst“, sagt er. In einer durchschnittlichen Arbeitswoche mit fünf Tagen kam der junge Koch auf 50 bis 60 Stunden. Oft musste er zusätzlich am Wochenende arbeiten, dann lag er bei mindestens 70. Und in Monaten, in denen Großveranstaltungen wie die Grüne Woche oder die Internationale Tourismus-Börse stattfanden, arbeiteten Nemeth und seine Kollegen manchmal zwei Wochen am Stück und an diesen Tagen oft 14, 15 Stunden. Sie seien nur zum Duschen nach Hause gekommen. So sei es immer noch, sagen Adlon-Köche, zu denen Nemeth nach wie vor Kontakt hat. Sie schreiben sich Nachrichten, hin und wieder telefonieren sie. Er fragt, wie es im Adlon läuft. „Alles beim Alten“, antworten sie dann. Der Mindestlohn hat offenbar an ihrer Situation nichts geändert.
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