Sie steigen die Stufen hinauf, bis sie am höchsten Punkt des Kanaltunnels stehen, wie auf einer Aussichtsplattform. Von hier oben haben Sieglinde Reinhardt und Dirk Scheinemann vom Landesrechnungshof Brandenburg einen guten Blick über das 1050 Meter lange Millionengrab. Gerne geben die beiden Prüfer zu: Diese künstlich angelegte Wasserstraße ist ein ingenieurtechnisches Meisterwerk. Der Koschener Kanal unterquert eine Bundesstraße, dann sogar einen Fluss, bis er schließlich hinter einer Schleuse in einem gefluteten Tagebausee aufgeht. „Dennoch muss alles finanziell sein Maß haben“, sagt Reinhardt, während sie am Geländer lehnt.
Reinhardt ist Vizepräsidentin des Landesrechnungshofes Brandenburg, Scheinemann leitet dort die Prüfungsgruppe. Ihr Team hat vor zwei Jahren die Finanzen des Koschener Kanals untersucht und herausgefunden, dass die Kosten des Projekts immens gestiegen sind. Statt der zunächst propagierten 6,5 Millionen Euro im Jahr 2004 hat der Kanal letztlich 50,7 Millionen Euro gekostet.
Der Koschener Kanal reiht sich damit ein in eine immer wiederkehrende Erzählung von Bauprojekten der öffentlichen Hand, deren Kosten nach Projektbeginn explodieren. Das Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler fasst diese Fälle Jahr für Jahr zusammen, Projekte wie die Hamburger Elbphilharmonie erlangten dabei unrühmlichen Leuchtturmcharakter. Doch die Vielzahl der weniger beachteten Projekte mit ausufernden Kosten ist in Summe vielleicht noch teurer. Die Sanierung des Rathauses in Mülheim an der Ruhr: kostete am Ende 49 Millionen Euro statt geschätzter 36 Millionen. Die Generalüberholung des Deutschen Theaters in München: 94 Millionen Euro statt 79,5 Millionen. Der Leipziger City-Tunnel: knapp eine Milliarde Euro statt 571 Millionen. Überall dort, wo sich Politiker zum Spatenstich treffen, scheint eine Prognose meist zuzutreffen: Die Kosten werden explodieren. Erst am Montag dieser Woche räumte Flughafenchef Hartmut Mehdorn die nächste Kostensteigerung beim Berliner Airport ein – um 1,1 Milliarden Euro.