Ehemalige Boat People hier, linientreue Kommunisten da: Nach dem Mauerfall standen sich in Berlin Vietnamesen aus zwei Welten gegenüber. Bis heute ist man einander fremd. Eine Beziehungsgeschichte.

Die beheizten Fliesen wärmen Fußpaare in Socken. Sohlen huschen über den spiegelglatten Boden der großen Halle mit den meterhohen, goldenen Buddha-Figuren, bis sie unter knieenden Oberschenkeln verschwinden. Über hundert buddhistische Vietnamesen sitzen Schulter an Schulter und blicken auf die Meisterin des Tempels: raspelkurze Haare, geschnürt in eine senffarbene Kutte. Sie verbeugt sich vor einer Tafel mit Gaben für die Ahnen: Teller mit Bananen, Erdbeeren und Weintrauben, Pyramiden aus Äpfeln und Mandarinen. Räucherstäbchen hüllen den Raum in Sandelholzduft. Die Meisterin singt wie in Trance die Gebete in ein Mikrofon. Später werden die Gläubigen miteinstimmen.

Folgt man den Klischees unter Vietnamesen, so kann man an der Kleidung vieler der hier versammelten Betenden eine Teilung ablesen, die auch noch 25 Jahre nach dem Mauerfall besteht. Zwei vietnamesische Communitys gibt es in Berlin; eine im Osten, eine im Westen. Frauen aus dem Ostteil, damals vom kommunistischen Vietnam in die DDR geschickt, hocken vor Buddha in Leggins mit Strasssteinchen, einige haben ihr Haar blondiert; die Männer präsentieren sich in Röhrenjeans und mit hochgegelten Haaren. Vietnamesen aus dem Westteil der Stadt, damals vor dem kommunistischen Regime geflohen, tragen dagegen Hemden, die Frauen edle Blazer, ihr schwarzes langes Haar fällt elegant über Schultern. Es passt zu den Vorurteilen, die auch Deutsche voneinander haben: Im Osten ähneln die Menschen Cindy aus Marzahn, im Westen werden teure Marken getragen.

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